cut-up.city

Subtitle:Adbusting, Kartografie |
Duration:2 Tage, 4 Stunden jeweils | Language:Deutsch, Englisch, Russisch | Equipment:Laptop, Kamera, Smartphone, mobiles Internet, Teppichmesser, Rucksack, Fahrrad | Software:cut-up.city |

Der Workshop „cut-up.city“ entstand als Nebenprojekt zum CityLeaks Festival, an dem ich mit dem Adbusting-Projekt „Iconoclash“ teilnahm. Der Workshop beschäftigte sich mit kommerzieller Plakatierung im Kölner Stadtteil Ehrenfeld in Anlehnung an Guy Debords Projekt „Naked City“. Wir betrachteten den Kölner Stadtplan (ähnlich wie Debords Pariser Stadtplan) als Werbeplakat und anstatt Debords Collage zu überarbeiten, entwarfen wir ein politisches Plakat aus gesammelten Fragmenten von Werbeplakaten.

Der Workshop bestand aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Der theoretische Teil beschäftigte sich mit begrifflichen Zusammenhängen wie: Künstler – Passant, Führung – Irreführung, Werbung – Adbusting. Ich gab einen kurzen Überblick über Kunstpraktiken, Künstler und Theoretiker sowie über meine eigene Arbeit, in der ich den Begriff des Passanten vom Flaneur zum Künstler erhebe. Der praktische Teil bestand aus einer kollektiven Intervention, bei der wir aus selbst gesammelten Werbeplakatfragmenten ein politisches Plakat zusammensetzten – sowohl physisch im Rahmen einer illegalen Aktion im Stadtraum als auch digital auf einer eigens dafür gestalteten Website.

Der erste Tag begann mit einer kunsthistorischen Einführung zum Titel des Workshops „Naked City“. Danach gab ich einen kurzen Rückblick von Situationist International über Décollage und Adbusters bis hin zu Santiago Sierra. Wir behandelten: (Künstler) Weegee, Brion Gysin, Situationist International, Asger Jorn, Guy Debord, Raymond Hains, Jacques de la Villeglé, Santiago Sierra; (Bücher) Karen O’Rourke „Walking and Mapping: Artists as Cartographers“, Guy Debord „The Society of the Spectacle“, Guy Debord „Theory of Derive“, Naomi Klein „No Logo“, Kalle Lasn „Culture Jamming. The Manifesto of Anti-advertising“, (Filme) Jules Dassin „Naked City“.

Ziel des Workshops war es, Debords Dérive mit Kalle Lasns Adbusting zu verbinden und Beispiele für neue künstlerische Strategien zu entwickeln.

Am Ende des Tages waren wir mit den Vorbereitungen für den Einsatz am nächsten Tag beschäftigt. Dazu erstellten wir eine Website (cut-up.city), die als digitales Werkzeug für unsere Intervention dienen sollte. Die Website zeigte eine Google-Karte des Stadtteils Ehrenfeld. Ein Plakatsymbol in der Mitte markierte die Geoposition unserer Plakatcollage. Der Standort war eine breite Betonmauer an der Kreuzung Liebigstraße/Subbelrather Straße in der Nähe einer Bahnunterführung. Die Wand wurde regelmäßig als Mietfläche für kleinformatige Werbeplakate genutzt. Unser Plakat sollte am nächsten Morgen illegal an dieser Stelle angebracht werden.

Den Rest des Abends verbrachten die Teilnehmer damit, Werbeplakate im Stadtteil Ehrenfeld auszusuchen, deren Inhalt sie persönlich negativ berührt hatte. Ihre Aufgabe war es, ein Stück davon abzureißen. Sie fotografierten die beschädigten Plakate und notierten die GPS-Koordinaten für unsere Google-Karte. Alle gesammelten Fragmente sollten Teil des politischen Plakats werden, das für den nächsten Tag geplant war.

Am Tag 2 brachten die Teilnehmer:innen die Plakatfragmente, die sie am Vorabend abgerissen hatten, am nächsten Morgen zum Workshop mit. Wir begannen den Tag damit, jedes Fragment mit einem QR-Code zu versehen. Die QR-Codes verknüpften jedes Fragment mit einer entsprechenden Seite auf cut-up.city. Diese Seiten wurden von den Teilnehmer:innen selbst erstellt, indem sie ihre Fotos hochluden und eine Beschreibung für jedes Fragment schrieben. Insgesamt hatten wir 17 Fragmente, also 17 QR-Codes, 17 Webseiten, 17 Fotos und 17 Texte. Die Texte waren einzigartig! Wir hatten kurze emotionale Ausrufe, Gedichte und kleine Essays, alles in vier verschiedenen Sprachen: Deutsch, Russisch, Englisch und Spanisch. Jeder neue Eintrag auf der Karte war mit einem Teppichmesser-Symbol gekennzeichnet.

Nachdem die Inhalte online waren, konnten wir endlich mit der Arbeit an unserem politischen Plakat beginnen. Zuerst setzten wir die Collage auf dem Boden zusammen, um zu sehen, wie sie wirkt, dann brachten wir die Teile an die Wand und klebten sie dort auf. Dann wurde jedes Fragment mit einem eigenen QR-Code versehen. Schließlich luden wir ein Foto des fertigen Plakats auf die Website hoch. Obwohl das Plakat abstrakt wirkte, war es doch sehr konkret: Durch die QR-Codes verwies jedes Fragment der Collage auf ein entsprechendes persönliches Statement der Teilnehmer, was dem Plakat eine hohe Aussagekraft verlieh.

Ähnlich wie beim Iconoclash-Projekt haben wir ein kommerzielles Plakat in ein politisches Plakat verwandelt und uns damit gegen die Kommerzialisierung des visuellen Raums ausgesprochen.

Das Plakat wurde am nächsten Tag, dem 26. August 2019, von Unbekannten entfernt. Obwohl das Plakat nur einen Tag lang live zu sehen war, bleibt sein digitales Abbild für immer online. Auch die Website bleibt als digitales Instrument für öffentliche Kommentare zur Stadtwerbung online. Es kann weiterhin weltweit genutzt werden.

Camera:Andrey Ustinov | Web Development:Yuri Popov | Production:CityLeaks Festival | Special thanks to:Georg Barringhaus, Olga Funk | Institution:Transurban Bielefeld, CityLeaks Festival Köln |
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